Zur Beherrschung der Zuverlässigkeit müssen während des gesamten Produktlebenszyklus verschiedene Methoden und Werkzeuge angwendet werden. Die Sicherstellung der Systemzuverlässigkeit kann prinzipiell konstruktiv oder analytisch durchgeführt werden (Bild 2.2.1).

Bild 2.2.1: Methodenübersicht der Zuverlässigkeitstechnik [1]

 

Auf dieser Basis lassen sich die Begrifflichkeiten folgendermaßen zusammenfassen:

Konstruktiv
Im konstruktiven Sektor wird, wie der Name bereits sagt, die Zuverlässigkeit eines Systems durch konstruktive Methoden und Verfahren gewährleistet. Auf diesen Sektor wird hier nicht weiter eingegangen.

Analytisch
Die analytische Sicherstellung erfolgt durch Ermittlungen bzw. Prognosen mit Hilfe diverser Methoden und Werkzeuge. Generell unterscheidet man hier zusätzlich noch zwischen quantitativen und qualitativen Hilfsmitteln. Qualitative Methoden und Werkzeuge beschreiben die Eigenschaften des betrachteten Systems. Hingegen zeichnen sich die qualitativen Methoden und Werkzeuge im wesentlichen dadurch aus, dass alle Arbeitsschritte auf statistischen oder mathematischen Zusammenharnhängen messbarer Eigenschaften basieren.

Ein zeitliche Einteilung der Methoden wäre theoretisch auch denkbar. Dabei müsste auf den Fortschritt des Produktentstehungsprozesses eingegangen werden, also in welchem Stadium die jeweilige Methode eingesetzt wird. Jedoch ist der Einsatz der jeweiligen Methoden und Werkzeuge vom Einzelfall abhängig. Des Weiteren werden diese auch teilweise zu verschiedenen Zeitpunkten mehrmals eingesetzt. Generell ist ein möglichst früher Einsatz der Methoden und Werkzeuge zu empfehlen, da früh erkannte Qualitätsmängel einfacher zu beheben sind. Methoden, die früh angewandt werden, liefern Vorhersagen über die spätere Zuverlässigkeit des Produktes. Hingegen spät angewandte Methoden verifizieren die vorher bestimmte Zielvorgabe bezüglich der Zuverlässigkeit.

Je nach Fragestellung, Auftraggeber, Art des Systems, Lebenszyklusphase und vorhandenen Daten können dabei eine Fülle von Methoden angewendet werden. Nach einem Benchmark-Vergleich aus verschiedenen Quellen ergeben sich die folgenden Methoden in Tabelle 2.2.1. Eine Wertung der verschiedenen Methoden wurde bereits von Rzepka [2] anhand einer Umfrage durchgeführt.

Tabelle 2.2.1: Übersicht ausgewählter qualitativer Methoden zur Bestimmung der Zuverlässigkeit – Quelle: Kemmler, Dissertation 2018

MethodeBeschreibungQuellen
FMEADie Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse ist eine analytische Methode die bereits in der frühen Entwicklungs- und Planungsphase versucht, potentielle Fehler und deren Auswirkungen zu bewertet und damit das Risiko zu vermeiden bzw. zu vermindern.[1]
ChecklistenAnhand von vorgefertigten Listen, die eine Hand voll Fragen beinhaltet, werden der Reihe nach alle Punkte abgearbeitet und dadurch mögliches Risikopotential gesucht. Die Checkliste ist in Kategorien unterteilt.[2]
Design Review„Das Design Review ist eine formale und systematische Überprüfung eines Entwicklungsergebnisses zur Feststellung von Problembereichen und Unzulänglichkeiten“[3]
Ereignisablauf-analyseEin im System auftretendes Anfangsereignis (z.B. Komponentenausfall, Fehlbedienung) wird bis zu seinem möglichen Endzustand mit samt seinen Auswirkungen und Folgeereignissen untersucht und grafisch in Form von Verzweigungen dargestellt.[4]
Fehlerbaumanalyse
(qualitatitv)
Alle Verbindungen von Teilsystemausfällen, die letztendlich zu einem Gesamtsystemausfall führen, werden ermittelt und in einer baumstrukturähnlichen Darstellung logisch miteinander verknüpft. Die qualitative Methode dient zur Identifikation aller möglichen Ursachen des Ereignisses.[5]
ABC-AnalyseAlle Systemelemente werden nach Zuverlässigkeits- und Belastungskriterien in drei Klassen A,B oder C eingeordnet und anschließend nach Größe und Wichtigkeit geordnet und visualisiert.[6]
Quellen:
[1]WERDICH, M. : FMEA-Einführung und Moderation: durch systematische Entwicklung zur übersichtlichen Risikominimierung (inkl. Methoden im Umfeld). Springer-Verlag GmbH, 2011

DIN EN 60812: Fehlzustandsart- und -auswirkungsanalyse (FMEA) / Deutsche Institut für Normung e. V. 2015.
[2]BIROLINI, A. : Zuverlässigkeit von Geräten und Systeme. Springer-Verlag GmbH, 1997
[3]VDA: Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie: Zuverlässigkeitssicherung bei Automobilherstellern und Lieferanten: Teil 2: Zuverlässigkeits-Methoden und -Hilfsmittel. 3. Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA), 2000
[4]IEC 62502: Analysis techniques for dependability - Event tree analysis / InternationalElectrotechnical Commission. 2007.

DIN 25419: Ereignisablaufanalyse: Verfahren, graphische Symbole und Auswertung / Deutsche Institut für Normung e. V. 1985.
[5]DIN 25424: Fehlerbaumanalyse- Methoden und Bildzeichen / Deutsche Institut für Normung e. V. 1981.

DIN EN 61025: Fehlzustandsbaumanalyse / Deutsche Institut für Normung e. V., 2007.
[6]DIN 25424: Fehlerbaumanalyse- Methoden und Bildzeichen / Deutsche Institut für Normung e. V., 1981.

DIN EN 61025: Fehlzustandsbaumanalyse / Deutsche Institut für Normung e. V., 2007.

Tabelle 2.2.2: Übersicht ausgewählter quantitativer Methoden zur Bestimmung der Zuverlässigkeit – Quelle: Kemmler, Dissertation 2018

MethodeBeschreibungQuelle
Boolesche SystemtheorieDas Ausfallverhalten von Systemelementen kann durch sog. „Zuverlässigkeits-
Schaltbilder“graphisch dargestellt werden, wodurch die Auswirkung des Ausfalls eines einzelnen Elements auf das Gesamtsystem sichtbar wird.
Monte-Carlo-VerfahrenEs wird eine endliche Anzahl von Eingangsgrößen zufällig generiert.Anhand von diesen Eingangsgrößen werden Ausgangsgrößen berechnet. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis eine zuverlässige Aussage über die Eigenschaften der Ausgangsgrößen möglich ist.
Markov-TheorieBei den Markoff-Verfahren wird ein Zustandsübergangsdiagramm verwendet, das eine bildhafte Darstellung des Zuverlässigkeitsverhaltens (Funktionsfähigkeit, Verfügbarkeit, Instandhaltbarkeit) oder Sicherheitsverhaltens eines Systems ist; hieraus können die Leistungsgrößen des Systems berechnet werden. Mit dem Markoff-Verfahren kann das zeitliche Verhalten eines Systems modelliert werden.
WeibullanalyseMit Hilfe von Weibull-Verteilungsfunktionen kann das Ausfallverhalten eines Systems analysiert werden.
Fehlerbaumanalyse
(quantitative)
Alle Verbindungen von Teilsystemausfällen, die letztendlich zu einem Gesamtsystemausfall führen, werden ermittelt und in einer baumstrukturähnlichen Darstellung logisch miteinander verknüpft. Die quantitative Methode dient zur Ermittlung der Eintrittswahrscheinlichkeit unerwünschter Ereignisse.
Quellen:
[1]VDA: Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie: Zuverlässigkeitssicherung bei Automobilherstellern und Lieferanten: Teil 2: Zuverlässigkeits-Methoden und -Hilfsmittel. 3. Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA), 2000

DIN EN 61078: Techniken für die Analyse der Zuverlässigkeit – Zuverlässigkeitsblockdiagramm und Boole’sche Verfahren / Deutsche Institut für Normung e. V. 2006.
[2]VDI 4008-6: Monte-Carlo-Simulation / Verein Deutscher Ingenieure. 1999.
[3]DIN EN 61165: Anwendung des Markoff-Verfahrens / Deutsche Institut für Normung e. V. 2007.
[4]DIN EN 61649: Weibull-Analyse / Deutsche Institut für Normung e. V. 2009.
[5]DIN 25424: Fehlerbaumanalyse- Methoden und Bildzeichen / Deutsche Institut für Normung e. V. 1981.

DIN EN 61025: Fehlzustandsbaumanalyse / Deutsche Institut für Normung e. V. 2007.

In der Literatur finden sich noch weitere Methoden, die in Tabelle 2.2.3 auszugsweise aufgelistet werden und auf die nicht weiter eingegangen wird.

Tabelle 2.2.3: Weitere Methoden der Zuverlässigkeitsanalyse – Quelle: Kemmler, Dissertation 2018

BeanspruchungsanalyseMSAVerteilungsparameter
BlckdiagrammParameterschätzungVertrauensbereich
ESS / HASSPhysics of FailureVoice of Customer
GarantievorhersagePräventive DiagnoseWechselwirkungsanalyse
HAZOPQuality Function Deployment (QFD)Zählverfahren
HypothesentestsReliability GrowthZustandsüberwachung
Ishikawa-DiagrammStatistische Prozesskontrolle (SPC)Zuverlässigkeits-Allokation
KonzeptalternativenStatistikZuverlässigkeitsmonitoring
LebensdauerberechnungStatistische Versuchsplanung (DOE)Zuverlässigkeitsprognose
Modellbildung (Surrogate)Stress Analysisetc.

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[1] Bertsche, B., Lechner, G.: Zuverlässigkeit im Fahrzeug- und Maschinenbau. 3. Auflage, Springer-Verlag GmbH, 2004.
[2] Rzepka, B.; Schröpel, H.; Bertsche, B.: Studie zur Anwendung von Zuverlässigkeitsmethoden in der Industrie.